Thomas Wohlfahrt, Festivalleiter
Der Poesiefilm ist so alt wie das Filmemachen selbst. Warum erscheint er dennoch als junge Filmgattung? Poesie ist eine eigenständige Kunst und so alt wie die Menschheit. Sie war und ist aber auch immer eine Querschnittskunst gewesen, ohne die die anderen Künste nicht denkbar wären. Der französische Maler Eugène Delacroix brachte es auf den Punkt, als er sagte: »Es gibt keine Kunst ohne Poesie«. Historisch gesehen waren es immer die anderen Künste, die auf das Gedicht zugekommen sind, weil sie sich dort wiederfinden. Der bislang älteste bekannte Poesiefilm entstand 1905 in den USA. Wir werden uns in diesem Festival mit dem Poesiefilm der 1920er bis 1940er Jahre genauer beschäftigen, und in Gerhard Rühm begrüßen wir einen Pionier des deutschsprachigen Poesiefilms. Erst seit es den Computer gibt, ist der Film in der Lage, dem Gedicht strukturell zu antworten; also zu switchen von der Realität in die Virtualität, und das alles von jetzt auf gleich. So gesehen ist der Poesiefilm ein sehr junges Filmgenre, das heute rings um den Globus entsteht. Ein Kolloquium wird über diese Zusammenhänge aufklären. Erstmals treffen sich die Direktoren von Poesiefilmfestivals aus vielen Ländern und besprechen Strategien für eine bessere Vernetzung und zur intensiveren Popularisierung des Genres.
Die mit Regisseuren, Festivalmachern und Dichtern besetzte Programmkommission hat um den Wettbewerb herum Spannendes zusammengestellt: Filme für Kinder sind genauso zu sehen wie Gruseliges oder Erotisches zur Mitternacht. Die Vielfalt der Poesiefilme spiegelt sich in den verschiedenen Animationen, Experimental- sowie Spiel- und Dokumentarfilmen wider. Zum ersten Mal ist in immerhin 33 Filmen ein einziges Gedicht filmisch verarbeitet worden: Ulrike Almut Sandigs [meine heimat]. Poesiefilme aus Polen bilden den Schwerpunkt des Festivals. Auch die Arbeitsergebnisse des polnisch-deutschen Realisierungsworkshops »Poetic Encounters« sind zu sehen.
Neben den ZEBRAs für den besten Poesiefilm werden erstmals auch die Preise in den Kategorien »Bestes Erstlingswerk«, »Bester Film für Toleranz« und »Beste filmische Gedicht-Performance« vergeben. Seien Sie dabei, wenn sich Dichter aus mehreren Ländern in einer langen Lesenacht Filmemachern vorstellen und natürlich uns, dem Publikum. Film goes poetry! Ein herzliches Willkommen allen Filmemachern und Dichtern und unserem Publikum.
Wir bedanken uns herzlich beim Hauptstadtkulturfonds und bei all unseren Unterstützern, Sponsoren und Medienpartnern.
Thomas Wohlfahrt
Direktor der Literaturwerkstatt Berlin
Festivalleiter18.10.-21.10.