ZEBRA Poetry Film Festival zeichnet Preisträger:innen aus

07.11.2022

Am Sonntag wurden bei der feierlichen Preisverleihung des ZEBRA Poetry Film Festival drei Preise im Gesamtwert von 9.000 € sowie der Preis für die beste Festivalgedicht-Verfilmung und ein Publikumspreis verliehen. Das Festival rund um den internationalen Poesiefilm fand vom 3. bis zum 6. November im Haus für Poesie und im Kino in der Kulturbrauerei statt.

Eine internationale Jury, bestehend aus Dagmara Kraus (Dichterin, Deutschland), Ebele Okoye (multidisziplinäre Künstlerin und Trickfilmemacherin, Nigeria/Deutschland) und Christine Franz (Regisseurin und Autorin, Deutschland) vergab die drei mit je 3000 € dotierten Preise. 25 weltweit produzierte Poesiefilme standen im Wettbewerb um die Titel.

Der ZEBRA-Preis für den besten Poesiefilm 2022 (gestiftet vom Haus für Poesie) ging an BLACK. BRITISH. MUSLIM. OTHER von der in Großbritannien lebenden saudischen Filmemacherin Enas Saeed für die Verfilmung ihres Gedichtes mit demselben Titel. In der Begründung der Jury heißt es: „Wir brauchen keine große Bühne, um große Aussagen zu machen. Kaum drei Quadratmeter reichen in diesem Film aus, um mit Fragen zu Identität, Toleranz und Stereotypen konfrontiert zu werden. Dazu ein herausragendes Gedicht von außergewöhnlicher sprachlicher Qualität, geschrieben aus einer weiblichen Perspektive, befeuert durch Empörung.

Die filmische Umsetzung, technische Effizienz und das minimalistische Setting fesseln die Betrachter:innen und regen an zum Nachdenken über Geschlecht, Weiblichkeit, körperliche Behinderung, Meinungsfreiheit und Selbstermächtigung.

Dieser Film stellt die traditionelle Frauenrolle in einer patriarchalischen Welt in Frage. Eine Frau stellt sich der Dreistigkeit der Rollenzuschreibung mutig entgegen. Ein hochpolitischer Film. Eine Selbstbefreiung.“

 

Den Goethe Filmpreis – Nachhaltig leben (gestiftet vom Goethe-Institut) gewann TERRA DEI PADRI von Francesco Di Gioia (Italien) für die Verfilmung der Gedichte von Fadil Hasin Ash-Shalmani. So begründete die Jury ihre Entscheidung: „Was bedeutet Nachhaltigkeit? Lässt sich der Begriff nur auf umweltbezogene, ökologische Fragestellungen übertragen? Oder kann auch Geschichte nachhaltig sein?

Historische Gedichte, hochrhythmisch vorgetragen, dazu eine Collage aus Archivmaterial und Propaganda-Filmen, eröffnen den Blick auf ein übersehenes Kapitel der europäischen Kolonialgeschichte.

Libyen in den Zehnerjahren des vergangenen Jahrhunderts: Tausende Zivilisten werden von italienischen Besatzern deportiert und getötet. Das verarbeitet der Dichter Fadil Hasin Ash-Shalmani in klanglich äußerst eindrücklichen Versen, die nichts von ihrer Gültigkeit, Eindringlichkeit und Brisanz eingebüßt haben.

Eine poetische und filmische Enthüllung einer vergessenen Tragödie.“

Der Ritter Sport Filmpreis 2022 (gestiftet von der Alfred Ritter GmbH & Co. KG) ging an IMAGININGS von Anja Hiddinga (Niederlande) für ihre Verfilmung des Gedichts Walls and Dreams von KITCHEN’s LIGHT, einem Dichter:innenkollektiv, das mit Zeichensprache performt. „Was ist Lyrik ohne Laut? Was ist Poesie ohne Hören?

Dass Poesie auch ohne Worte funktioniert; dass man mit den Augen hören kann und Laute sehen, beweist dieser Film: eine so stolze wie sensible Choreographie aus Zeichen.

Gebärde als Aufbegehren.

Der Film zeigt Dichter:innen, die täglich mit den Herausforderungen der hörenden Welt, die sie kaum wahrnimmt, kämpfen. Auf filmisch herausragende Weise wird eine ignorierte Perspektive auf unsere Gesellschaft erzählt. Musikvideo-Ästhetik trifft auf die Poesie der Geste. Es gibt dieses Gedicht nicht als gesprochenes oder geschriebenes Wort. Es existiert nur als Film.“, schreibt die Jury in ihrer Begründung.

Zwei lohnende Erwähnungen hat die Jury ausgesprochen.

Die erste lobende Erwähnung geht an THE MIRROR NEURON von Tommy Becker (USA), basierend auf seinen Gedichten 4,000 Miles und Before the Sun Turns. Dazu die Jury: „Der Film ist eine Erleuchtung – literally: mit seinem am Himmel im Sprung herrlich aufgehängten, ruckelig um sich selbst rotierenden Sonnenbuckel in unverkappter Arschbombenhaltung, aus gelber Socke gewirkt und schelmischem Witz, aus Zeugs, Zungenzeig und Zitat, aus Acrylfarbe und Tapes. Sein Macher ist der gerissenste unter den Bilddichter:innen. Er ist der ausgekochte Parmigianino des Poetryfilms.“

Die zweite lobende Erwähnung bekommt ZYKLUS von Eva Matz und Jonas Schmieta (Deutschland), basierend auf Matz‘ gleichnamigem Gedicht. Die Jury schreibt: „Dieser Film ist chaotisch. Dieser Film ist ein Drama. Er ist ein Blutbad. Er ist offensiv. Dieser Film ist ein Aufschrei gegen einen Zustand, den die Hälfte der Menschheit ignoriert. Eine Frau nimmt sich ihren Raum und bricht mit Jahrtausende alten Tabus. Und ja: Es tut verdammt weh.“

Zusätzlich vergaben die Zuschauer:innen des ZEBRino Poesiefilmfestivals für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene einen Publikumspreis:

Der ZEBRino-Preis für den besten Poesiefilm für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene 2022 wurde an Héloïse Le Bail (Frankreich) für den Film LE LOUP ET LE CHIEN verliehen. Er basiert auf dem gleichnamigen Gedicht von Jean de La Fontaine. Der Film sei lustig und habe eine Moral; Animation und Musik überzeugten in dem zeitlosen Klassiker, so begründete die Publikumsjury im Alter von 8 bis 13 Jahren der Max-Beckmann-Oberschule unter anderem ihre Wahl.

Die drei besten Verfilmungen des Festivalgedichts Anderkatt von Georg Leß lieferten Beate Gördes (Deutschland), Patricia Delso Lucas (Belgien) & Johanna Wagner (Schweden) sowie Marc Neys (Belgien). Piu Gomes (Brasilien) wurde für seinen Beitrag eine lohnende Erwähnung ausgesprochen.

Besonders im Fokus des ZEBRA Poetry Film Festival standen dieses Jahr Poesie, Poesiefilme, Filmmusik und Musik aus der Ukraine. Zwei Filmprogramme gaben Einblick in die Poesiefilmszene des Landes, im Haus für Poesie lasen 10 ukrainische und 10 deutschsprachige Dichter:innen aktuelle Gedichte; viele der ukrainischen Gedichte wurden erstmals für das Festival ins Deutsche übersetzt. Die ukrainische Filmmusikerin Maryana Klochko hielt eine Masterclass; eine Retrospektive zeigte das filmische Schaffen der in Kyjiw geborenen Avantgarde-Pionierin Maya Deren und die ukrainischen Musikerinnen Mavka und Poly Chain traten im Festival auf. Ergänzend diskutierte ein Kolloquium die Frage, welche Rolle Poesie bei der Bewältigung von Traumata durch Krieg und Flucht spielen kann.

Das nächste ZEBRA Poetry Film Festival findet 2023 statt.

 

DO 3.11.–SO 6.11.2022

ZEBRA Poetry Film Festival

Haus für Poesie & Kino in der Kulturbrauerei Berlin Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin

Das ZEBRA Poetry Film Festival gibt es seit 2002. Es war die erste und ist die größte internationale Plattform für Kurzfilme, die auf Gedichten basieren – den Poesiefilmen. Es bietet Dichter:innen, Filme- und Festivalmacher:innen aus aller Welt eine Plattform zum kreativen Austausch, zur Ideenfindung und der Begegnung mit einem breiten Publikum. Mit einem Wettbewerb, mit Filmprogrammen, Dichter:innenlesungen, Retrospektiven, Workshops, Kolloquien und einem Kinderprogramm präsentiert es in verschiedenen Sektionen das vielfältige Genre des Poesiefilms.

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Das ZEBRA Poetry Film Festival wird veranstaltet vom Haus für Poesie und von eurobylon e.V. in Kooperation mit dem Kino in der Kulturbrauerei. Gefördert im Rahmen von NEUSTART KULTUR der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, durch den Deutschen Literaturfonds e.V. sowie aus Mitteln des Landes Berlin / Senatsverwaltung für Kultur und Europa. Mit freundlicher Unterstützung des Goethe-Instituts, der Alfred Ritter GmbH & Co. KG, der Universität der Künste Berlin, der Universität Hildesheim, der Kunsthochschule für Medien Köln, dem Verein für Literaturvermittlung Leipzig am Deutschen Literaturinstitut, dem Ukrainischen Filmfestival Berlin, dem interfilm Internationales Kurzfilmfestival Berlin, der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia und der Botschaft des Staates Israel. Präsentiert von taz, tip Berlin, EXBERLINER und Yorck Kinogruppe.