Gespräch des Monats  2019

10.11.2019

Die Lesungen der open mike Gewinnerinnen 2019

Der open mike hat sich zum wichtigsten deutschsprachigen Nachwuchswettbewerb für Prosa und Lyrik entwickelt. Er fördert junge Autorinnen und Autoren von den Schreibanfängen bis über die erste Veröffentlichung hinaus. 2019 fand der open mike zum 27. Mal statt. Auf der Bühne im Heimathafen Neukölln lasen 22 NachwuchsautorInnen jeweils 15 Minuten ihre Texte. Die Jury, besetzt mit Thomas Meinecke, Clemens Meyer und Uljana Wolf, wählte am Ende die drei Gewinnerinnen. Den Hauptpreis erhielt Carla Cerda Hegerl aus Berlin für „Bambi: Gedichte“. Zudem wurden zwei zweite Preise für Prosa an Fiona Sironic aus Wien (geb. in Neuss)  für ihren Text „Das ist der Sommer, in dem das Haus einstürzt“ und die gebürtige Stuttgarterin Sina Ahlers aus Ludwigsburg für „Originale“ vergeben. Hier sind die Gewinnertexte nun zum Nachhören!

Sina Ahlers, Fiona Sironic, Carla Cerda Hegerl  (c) Mirko Lux
Sina Ahlers, Fiona Sironic, Carla Cerda Hegerl (c) Mirko Lux
26.09.2019

Herta Müller: Wie lang dauert für immer

Unter dem Titel Wie lang dauert für immer hielt Herta Müller am 8. Juni 2019 die Eröffnungsrede der Festivalausstellung Aubergine mit Scheibenwischer – Die Zeichnungen von Oskar Pastior im Rahmen des 20. poesiefestival berlin. Nachzulesen ist die vollständige Rede hier.

Die Ausstellung rückte die „Zeichengebilde“ von Oskar Pastior ins Blickfeld und zeigte, wie sie mit seinen „Wortgebilden“ verbunden sind. Hinter der Wertschätzung für den Dichter Oskar Pastior – er wurde mit zwanzig Literaturpreisen, darunter der ihm 2006 posthum verliehene Georg-Büchner-Preis, geehrt – ist der Zeichner nahezu unbekannt geblieben.

Oskar Pastior (1927–2006) wurde im rumänischen Hermannstadt/Sibiu als Angehöriger der deutschen Minderheit geboren. Sein Deportationsschicksal in der Sowjetunion – er wurde 1945 als 17-Jähriger zu vier Jahren Zwangsarbeit im Donbass verschleppt – ist in Herta Müllers Roman „Atemschaukel“ verarbeitet. 

Herta Müller (c) Mirko Lux
Herta Müller (c) Mirko Lux
15.06.2019

Eileen Myles: I'm a poet, you fool – Poesiegespräch beim 20. poesiefestival berlin 2019

Eileen Myles begann ihre Karriere als Dichterin im New York der 70er Jahre. Dort wurde sie von AutorInnen der zweiten Generation der New York School wie James Schuyler oder Alice Notley beeinflusst. Sich selbst bezeichnet Myles „als wütende, weiße Lesbe, die die brennenden Straßen durchwandert“ und nach New York kam, um für Aufsehen zu sorgen. Das ist ihr mit ihrem typisch kurzzeiligen, lakonischen Stil und mittlerweile 20 Gedichtbänden auf unvergleichliche Weise gelungen. Eileen Myles spricht mit ihrer Übersetzerin Odile Kennel über ihr Leben und Werk.

Eileen Myles (c) Dirk Skiba
Eileen Myles (c) Dirk Skiba
03.06.2019

Poesiedebatte: Kulturelle Aneignung und die Freiheit der Kunst

Das Wort der cultural appropriation (kulturelle Aneignung) macht in den westlichen Demokratien die Runde. Wer darf in wessen Namen sprechen und welcher Mittel darf er/sie sich dabei bedienen?

Auch die Gattung Lyrik bleibt nicht unberührt von dieser Diskussion. Der amerikanische Dichter Anders Carlson-Wee schrieb ein Gedicht im afroamerikanischen Englisch aus der Perspektive eines schwarzen Obdachlosen und wurde des blackfacing beschuldigt. Werke der Konzeptdichter Vanessa Place und Kenneth Goldsmith, die vorgeblich Rassismus entlarven wollen, bezeichnet der Dichter Ken Chen als „avant-garde minstrel show“.

Ist hier ein neuer moralischer Rigorismus am Werk, der in die Freiheit der Kunst eingreift und die Gesellschaft in Mikrogruppen auflöst (Urban Tribalism), oder ist in den letzten Jahren ein tieferes Bewusstsein entstanden, das zu einem größeren Verantwortungsgefühl gegenüber Minderheiten führt?

Darüber diskutierten Kenah Cusanit, Ricardo Domeneck, Noa K. Ha und Marcus Latton im Mai im Haus für Poesie. 

Kenah Cusanit (c) Peter-Andreas Hassiepen
Kenah Cusanit (c) Peter-Andreas Hassiepen
06.05.2019

In Erinnerung an Paulus Böhmer

Paulus Böhmer, einer der großen deutschen Gegenwartsdichter, starb am 5. Dezember 2018. Im April hat das Haus für Poesie ihm und seinem Werk, das als einziger großer Gesang anhebt und niemals endet, einen Abend gewidmet.

Daß ich, klein, eingerollt     
ins Bauchfell meines Katers, sterben werde.     
Daß er dabei schnurrt.     
Daß ich schnurre. Daß ich, sterbend,     
im Bauchfell meines Katers schnurre:     
Daß es Euch gibt!

In Erinnerung an Paulus Böhmer lasen Lydia Böhmer, Daniel-Dylan Böhmer, Yevgeniy Breyger, Peter Engstler, Alban Nikolai Herbst, Orsolya Kalász, Maximilian Mengeringhaus, Theresia Prammer, Monika Rinck, Jan Volker Röhnert, Farhad Showghi und Ulf Stolterfoht.

Paulus Böhmer (c) gezett
Paulus Böhmer (c) gezett
08.04.2019

Grand Tour. Junge Lyrik Europas

Die Lyrik-Anthologisten Jan Wagner und Federico Italiano begeben sich auf eine Grand Tour (Carl Hanser Verlag 2019) durch Europa. Sie tragen auf insgesamt sieben Reisen einen Spiegel durch 49 Länder, unterstützt von einem Netzwerk aus Experten und Gewährsleuten. Von der Ukraine nach Slowenien, von Belgien nach Serbien, von der Schweiz nach Estland und weiter.

Herausgekommen ist ein lyrisches Itinerar sondergleichen, das in seinen Anlagen so vielgestaltig ist wie der Gott Zeus, der einst die Namenspatronin des Kontinents nach Kreta entführte. Liebes- und Naturgedichte, Klagen und Oden in ladinischer, samischer und baskischer Sprache, auf Bretonisch und in schottischem Gälisch. Ein Lese-Abenteuer nach dem Lustprinzip und ein willkommenes Antidot gegen aktuelle politische Tendenzen: „Das Europa der Lyrik ist in bester Verfassung!“

Jan Wagner führte durch den Abend und stellte drei DichterInnen vor, die in der Anthologie vertreten sind: Luna Miguel (geboren 1990 in Madrid), Clare Pollard (geboren 1978 in Bolton) und Sergej Timofejev (geboren 1970 in Riga).

Clare Pollard (c) Marcos Avlonitis
Clare Pollard (c) Marcos Avlonitis
25.03.2019

Zsuzsanna Gahse. Dichterinnenporträt

Die Dichterinnenporträts stellen wichtige Stimmen der deutschsprachigen Poesie vor, deren Werk querständig ist. Am 28.2. war Zsuzsanna Gahse zu Gast bei uns im Haus für Poesie. Mit Helmut Böttiger sprach sie über ihr Schaffen jenseits von Gattungsgrenzen und las aus ihren Texten.

Zsuzsanna Gahse (geboren 1946 in Budapest) lebt seit 1956 im deutschsprachigen Raum, derzeit in Müllheim, Schweiz. Ihre literarische Arbeit ist seit jeher zwischen Prosa und Lyrik, zwischen erzählerischen und szenischen Texten angesiedelt. Ihre Spracherkundungen sind instabil, fluid und ufern ins Visuelle, zur Musik und zum Theater. Rampensäue sind sie alle, sie drängen zum Vortragen, zum lustvollen Hören und Anschauen. Etwa dreißig Buchpublikationen liegen vor, darunter Donauwürfel (Edition Korrespondenzen 2010) und der jüngste Band Siebenundsiebzig Geschwister (Edition Korrespondenzen 2017). 2019 erhielt sie den Schweizer Grand Prix Literatur.

Zsuzsanna Gahse (c) Yvonne Böhler
Zsuzsanna Gahse (c) Yvonne Böhler
11.02.2019

Lyrikline live

Lyrikline feiert in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag: Mit Lyrikline Live startete im Januar die Veranstaltungsreihe, mit der das Haus für Poesie über das Jahr das Jubiläum begeht. Vier DichterInnen waren zu Gast und wurden bei dieser Gelegenheit ins Aufnahmestudio von Lyrikline geladen. 

Benannt wurden sie von dem Dichter Hans Thill (geboren 1954 in Baden-Baden). Seine Wahl fiel auf Paul-Henri Campbell (geboren 1982 in Boston), Marcus Roloff (geboren 1973 in Neubrandenburg), Sabine Schiffner (geboren 1965 in Bremen) und Martina Weber (geboren 1966 in Mannheim).

Lyrikline ist ein vielsprachiges, stetig wachsendes Weltarchiv der Dichtung in Wort, Ton und Bild. 1.325 DichterInnen, 11.838 Gedichte, 83 Sprachen und 17.573 Übersetzungen sind derzeit hier zu lesen und zu hören.

Marcus Roloff © gezett
Marcus Roloff © gezett