Gedanken über der Zeit

von Paul Fleming (1609–1640)

Ihr lebet in der Zeit / und kennt doch keine Zeit /
So wisst Ihr Menschen nicht von / und in was Ihr seyd.
Diß wisst Ihr / daß ihr seyd in einer Zeit gebohren.
Und daß ihr werdet auch in einer Zeit verlohren.
Was aber war die Zeit / die euch in sich gebracht?
Und was wird diese seyn / die euch zu nichts mehr macht?
Die Zeit ist was / und nichts. Der Mensch in gleichem Falle.
Doch was dasselbe was / und nichts sey / zweifeln alle.
Die Zeit die stirbt in sich / und zeucht sich auch aus sich.
Diß kommt aus mir und dir / von dem du bist und ich.
Der Mensch ist in der Zeit; sie ist in ihm ingleichen.
Doch aber muß der Mensch / wenn sie noch bleibet / weichen.
Die Zeit ist / was ihr seyd / und ihr seyd / was die Zeit /
Nur daß ihr Wenger noch / als was die Zeit ist / seyd.
Ach daß doch jene Zeit / die ohne Zeit ist kähme /
Und uns aus dieser Zeit in ihre Zeiten nähme.
Und aus uns selbsten uns / daß wir gleich köndten seyn /
Wie der itzt / jener Zeit / die keine Zeit geht ein!

Gleiches Paar, doch nicht an Jahren

von Paul Fleming

Gleiches Paar, doch nicht an Jahren,
Ihr laßt uns an euch erfahren,
Daß auch ungleich gleiche sei.
Doch, wer fraget nach den Jahren?
Was sich soll, das muß sich paaren:
Lieb´ ist hier, wie allzeit, frei.
 
In demselben lieben Leben
Werdet ihr nicht wissen eben,
Bei euch stets, stets von euch weit,
Ob ihr schlafend oder wachend,
Ob ihr weinend oder lachend,
Oder aus euch selber seid.
 
Die gestirnten Himmelschscheiben
Wollen gleich als stehen bleiben
Über euch und euer Zier.
Tausend, tausend kleiner Wächter
Treiben ein sehr laut Gelächter
Euch zu Ehren für und für.
 
Geht, Verliebte, theilt die Flammen.
Der euch jetzo  giebt zusammen,
Fördre euer Liebe Lauf.
Des ersuchten Himmels Segen
Wird sich mit euch niederlegen,
Schlafen, wachen und stehn auf.
 
Wenn der weitgepries´ne Garten
Keiner Blumen mehr wird warten,
Wenn das Pomeranzenhaus
Grau von Frost und Schnee wird stehen,
Dann soll eine Blum´ aufgehen
Und mit Freuden blühen aus.