Weltklang – Nacht der Poesie

Yugen Blakrok

Yugen Blakrok © Christopher Terhart

Schon seit ihrem Debütalbum, spätestens aber mit „Anima Mysterium“ (I.O.T Records 2019) gilt Yugen Blakrok (geb. 1984 in der Provinz Eastern Cape, Südafrika) als Queen des Underground-Raps Südafrikas. Sie beschreibt ihre Arbeit als „alternativen Hip-Hop“, der „die dunkleren und lyrischeren Seiten“ des Genres miteinander verbindet. Ihre Lyrics und Spoken-Word-Texte sind futuristisch, sperrig, virtuos und komplex. Sie stecken voll dichter Metaphern und altem Wissen.

Aufgewachsen auf einem Bauernhof in der Provinz Eastern Cape begann Yugen Blakrok in den späten 90er Jahren Hip Hop zu hören. 2002 reiste sie von Kapstadt nach Grahamstown, trat 2004 zum ersten Mal öffentlich auf. 2007 zog sie nach Johannesburg. Dort nahm sie der Produzent und Samplekünstler Kanif the Jhatmaster unter Vertrag. Ihre erste Platte, „Return of the Astro-Goth“, erschien 2013.

Auch wenn Blakrok seither in Südafrika eine treue Fanbase hat, ist der Hip-Hop dort immer noch ein eng begrenztes Feld. Dass 2018 ein Song von Blakrok – aufgenommen mit Vince Staples und Kendrick Lamar – auf dem Soundtrack des Marvel-Blockbusters „Black Panther“ erschien, muss als wichtiger Moment für die zeitgenössische südafrikanische Musik gelten.


Diskografie:

Return of the Astro-Goth, Iapetus, 2013

Anima Mysterium, I.O.T Records, 2019

Patrizia Cavalli

Patrizia Cavalli © privat

Patrizia Cavalli (geb. 1947 in Todi, Umbrien) kam Ende der 60er Jahre aus der umbrischen Provinz nach Rom. Unter der Ägide der Schriftstellerin Elsa Morante fand sie zu ihrem eigenen Ton, der sich durch kolloquiale Einfachheit auszeichnet. Damit hob sie sich stark ab von den hermetischen Strömungen der Zeit und den bedeutendsten Repräsentanten moderner italienischer Lyrik: Eugenio Montale und Giuseppe Ungaretti.

Auf einer flüchtig skizzierten Landkarte der Literatur weist der Philosoph Giorgio Agamben, der Cavallis Werk als die „vielleicht fließendste, konsistenteste“ Dichtung des 20. Jahrhunderts rühmt, ihr eine Ausnahmestellung zu. Cavallis Gedichte, so Agamben, vollbrächten das Wunder, einen Raum zu eröffnen, „wo das urzeitliche Reptil der Dichtung, das sein eigenes Aussterben überlebt hat, gedankenlos weidet“.

Cavallis Bücher genießen in ihrer Heimat Kultstatus. Ihre Gedichte, die sie bei Lesungen frei vorträgt, sind aus der Perspektive einer Flaneurin geschrieben. Sie oszillieren zwischen Epiphanie und Resignation. Es sind die Inszenierungen eines „Immer offenen Theaters“, auf dessen Bühne das Leben bei laufendem Taxameter präsentiert wird.


Veröffentlichungen auf Deutsch (Auswahl):

Diese schönen Tage. Ausgewählte Gedichte 1974–2006, Carl Hanser Verlag 2009

Anja Golob

Anja Golob © Jost Franko

Anja Golob (geb. 1976 in Slovenj Gradec, Slowenien) ist der Shootingstar der europäischen Dichtung. Sie arbeitet als Autorin und Übersetzerin und ist gegenwärtig  neben Kristina Hočevar die bedeutendste Dichterin ihres Landes. Nach dem Studium der Philosophie und Vergleichender Literaturwissenschaft in Ljubljana arbeitete sie zwölf Jahre als Theaterkritikerin. 2013 war sie Mitgründerin des auf Comics und Graphic Novels in slowenischer Übersetzung spezialisierten Kleinverlags VigeVageKnjige. Zudem war Golob  gelegentlich als Dramaturgin für zeitgenössiche Kunst- und Tanzperformances tätig. Ihre Gedichte sind voller Risse, Scharten und Krümel. Sie erzählt darin von einer Sprache, die äußerst beweglich ist in ihren Gelenken, vom Anfang und Ende der Liebe, vom „Dortgestern und Hierheute“, von dem, was aus einem Herzen „ein Kissen für Stecknadeln“ macht. Nebenbei erfährt der Leser außerdem etwas über die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum und die Leuchtkraft von Glühwürmchen in Nanometern.

www.anjagolob.org


Veröffentlichungen:

da ne bo več prišla da ne bo da me žge da se odganjam ... self-published Maribor 2019
Didaskalije k dihanju. Selbstverlag 2016
Vesa v zgibi. Mladinska knjiga 2013
V roki Litera. Maribor 2010

 

Veröffentlichungen auf Deutsch:

ab und zu neigungen, hochroth Wien 2015
Anweisungen zum Atmen, Edition Korrespondenzen  2018
Taubentext, Vogeltext (gemeinsam mit Nikolai Vogel), hochroth Müchen 2018

Rainer René Mueller

Rainer René Mueller © Buck

Rainer René Mueller (geb. 1949 in Würzburg) ist, da sein Werk dem Zeitgeist immer schon radikal zuwider lief, ein weitgehend Unentdeckter geblieben. Seine Gedichte entstehen in der Nachfolge Paul Celans, es sind geschichtssatte Gebilde mit großem Hallraum, in dem das Grauen des vergangenen Jahrhunderts nachzittert.

Auffällig an ihnen ist die radikal-sprachliche Verkürzung, die mit Zitatfetzen und Satzpartikeln arbeitet, die graphisch aus dem Text herauspräpariert werden. Es ist eine „stockende, stotternde Sprache, die sich mit einem Heer von Satzzeichen gegen die Laufrichtung der geläufigen Sprache stemmt“ (Michael Braun). Die versprengten Wortpartikel im Gedicht sind fremdartig und geheimnisvoll.

Bei Mueller sitzt man auf „goldheiß überdampften“ Balkonen, die Stille ist angezündet, der Herbst „bucheckern-schön“, und doch ist auch die „Göbbelsgosche“ stets bedrohlich in Hörweite.


Veröffentlichungen (Auswahl):

POEMES – POETRA, roughbooks 2015

geschriebes. selbst mit stein, Edition aouey 2018 

Eileen Myles

Eileen Myles © Shae Detar

Eileen Myles (geb. 1949 in Cambridge, Massachusetts) begann ihre Karriere als Dichterin im New York der 70er Jahre, wo sie von AutorInnen der zweiten Generation der New York School beeinflusst wurde (unter ihnen James Schuyler, Alice Notley und Bernadette Mayer). Ihre ersten Lesungen gab sie im CBGB‘s, dem berühmten Club im East Village von Manhattan, in dem auch die Ramones, Patti Smith, Johnny Thunders und Blondie auftraten.

Myles selbst ist mittlerweile so etwas wie ein Rockstar in der amerikanischen Lyrikszene. Die Rückseite ihrer Bücher zieren Blurbs von Lena Dunham und Kim Gordon. Myles bezeichnet sich „als wütende, weiße Lesbe, die die brennenden Straßen durchwandert“, als „Bastard-Poetin aus der konservativen Diaspora“, die nach New York kam, um für Aufsehen zu sorgen.

Das ist ihr mit ihrem typisch kurz-zeiligen, lakonischen Stil und mittlerweile 20 Gedichtbänden auf unvergleichliche Weise gelungen.


Veröffentlichungen (Auswahl):

Chelsea Girls, Black Sparrow Press 1994                                                                                      

Must Be Living Twice: New and Selected Poems 1975-2014, Ecco Press 2015

Afterglow (a dog memoir), Grove Press 2017

Evolution, Grove Press 2018

Marion Poschmann

Marion Poschmann © Frank Maedler

In den Gedichten von Marion Poschmann (geb. 1969 in Essen) geht es genau und leise zu. Sie formen neue Blicke in die Natur, erkennen Gesellschaftsbilder in Gartenkulturen, verbinden Wissenschaft mit Schönheit.

Für ihre Gedichte und Prosa wurde die in Berlin lebende Autorin vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Peter-Huchel-Preis und dem Ernst-Meister-Preis für Lyrik, dem Klopstock-Preis für neue Literatur und dem Berliner Literaturpreis. Zweimal stand Poschmann auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. 2019 ist ihr Roman „Die Kieferninseln“ für den Man Booker International Prize nominiert.

Poschmanns Lyrik, so die Jury des Berliner Literaturpreises 2018, „bewirkt eine ganz eigene Art von Entschleunigung. Folgt man ihr, erschließen sich neue Sprachwelten von barock üppiger und romantisch raumgreifender Vielfalt“.


Veröffentlichungen (Auswahl):

Verschlossene Kammern. Gedichte, zu Klampen Lüneburg 2002

Grund zu Schafen. Gedichte, Frankfurter Verlags-Anstalt Frankfurt am Main 2004

Schwarzweißroman. Frankfurter Verlags-Anstalt Frankfurt am Main 2005

Geistersehen. Gedichte, Suhrkamp Berlin 2010

Die Sonnenposition. Roman, Suhrkamp Berlin 2013

Geliehene Landschaften. Lehrgedichte und Elegien. Suhrkamp Berlin 2016

Die Kieferninseln. Roman, Suhrkamp Berlin 2017

Fatemeh Shams

Fatemeh Shams © privat

Fatemeh Shams (geb. 1983 in Mashhad, Iran) gewann bereits mit 16 Jahren eine Silbermedaille bei der „Nationalen Literaturolympiade“.  Sie studierte an der Universität in Teheran und an der Aga Khan University in London. Nachdem ihre Schwester und ihr Mann von der Iranischen Regierung verhaftet wurden, wurde sie 2009 gezwungen, ins Exil zu gehen.

Shams Gedichte reflektieren diese Situation: Mal in freien Versen, mal in traditionellen Formen berichten sie von Migration und Krieg, Trauer und Verlust – von Menschen, für die Heimat nur noch „eine traurige Vergangenheit ohne Ende ist“. Bildstark, harsch und elegant kondensiert Fatemeh Shams erlebtes Leid in Lyrik, die in ihrer komplexen Schönheit darüber hinaus weist.

Nach Jahren in London, wo sie 2015 an der Oxford University promovierte, lebt Fatemeh Shams zurzeit in Philadelphia (USA) und unterrichtet an der University of Pennsylvania. Sie veröffentlicht Artikel über Dichtung und Macht, über persische Gegenwartsliteratur und ihre Sozialgeschichte im Iran. Seit über acht Jahren ist sie staatenlos.


Veröffentlichungen:

88, Gardoon Verlag, Berlin 2013

Writing in the Mist, H&S Media London 2015

When They Broke Down the Door, Mage Publishers Washington DC 2016

Keston Sutherland

Keston Sutherland © privat

Der Dichter und Musiker Keston Sutherland (geb. 1976 in Bristol) ist einer der inselbegabten Autoren der experimentellen britischen Lyrik. In seinen manischen Performances schickt er seine aggressiv-hochauflösenden Texte durch alle Register.

Sutherland ist der wichtigste Vertreter der zweiten Generation der sogenannten Cambridge School, einer modernistischen Bewegung, die sich radikal von einem konservativen Poesieverständnis abkehrt. Wie sein Mentor, der große Dichter J.H. Prynne, ist er ein Marx-Enthusiast und -Exeget. Sein Langpoem „Hot White Andy“ über das Begehren in Zeiten des Spätkapitalismus wurde gefeiert als das „bemerkenswerteste englische Gedicht, das bisher in diesem Jahrhundert veröffentlich wurde“ (Jacket).

Gemeinsam mit der Dichterin Andrea Brady gründete Sutherland 1995 die Barque Press, einen der einflußreichsten Verlage für experimentelle Gegenwartsliteratur.

Veröffentlichungen (Auswahl):

Antifreeze, Barque Press 2002                                                                                            

Hot White Andy, Barque Press 2007

Stress Position, Barque Press 2009

The Odes to TL61P, Enitharmon Press 2013

Poetical Works 1999-2015, Enitharmon Press 2015

Whither Russia, Barque Press 2017   

Xi Chuan

Xi Chuan © Zheng Yang

Xi Chuan (geb. 1963 in Xuzhou in der Provinz Jiangsu, China) ist einer der großen Dichter der Gegenwart, von dem es noch immer kaum etwas auf Deutsch zu lesen gibt. Neun Gedichtbände und mehrere Essaysammlungen sind von ihm in China erschienen. Seine Gedichte wurden vertont, zu Theaterstücken verarbeitet und Teil von Installationen.

Xi Chuan nutzt „ein konkurrenzlos tiefes historisches Wissen, um sich über die Eindimensionalität der Tradition lustig zu machen“, schreibt seine Übersetzerin Lea Schneider. „Niemand, der so unversöhnlich mit den Selbstbeweihräucherungen des chinesischen Nationalbewusstseins ins Gericht geht. Niemand, der so böse mit den eigenen Selbstbeweih-räucherungen ins Gericht geht.“

Xi hat unter anderem Ezra Pound, Jorge Luis Borges und Cesław Miłosz ins Chinesische übertragen und eine ganze Reihe chinesischer und internationaler Literaturpreise verliehen bekommen. Er war Gastprofessor u.a. an der New York University und an der University of Victoria in Kanada. Heute lehrt er Klassische Chinesische Literatur an der Central Academy for Fine Arts in Beijing und ist als Herausgeber nationaler und internationaler Gedichtsammlungen tätig.


Veröffentlichungen (Auswahl):

致敬Zhijing („Gruß“), Prosagedichte, 1992

西川诗选 Xi Chuan shi xuan („Xi Chuan. Ausgewählte Gedichte“), Gedichte, 1995

虚构的家谱Xugou de jiapu („Imaginärer Stammbaum“), Gedichte, 1997

大意如此 Dayi ru ci („Grundsätzlich geht es darum“), Gedichte, 1997

让蒙面人说话 Rang mengmian ren shuo hua („Maskierte Menschen zum Reden bringen“), 1997

西川的诗 Xi Chuan de shi („Xi Chuan. Gedichte“), Gedichte, 1999

鹰的话语Ying de Huayu („Was der Adler sagt“), Prosagedichte, 1999

水渍 Shuizi („Wasserschaden“), Prosagedichte und Essays, 2001

游荡与闲谈:一个中国人的印度之行 Youdang yu xiantan: Yi ge zhongguo ren de yindu zhi xing („Schlendern und Reden: Ein Chinese in Indien“), Essays, 2004

深浅 Shenqian („Die Tiefe“), Gedichte und Essays, 2006

个人好恶Geren Haowu („Private Vorlieben“), Gedichte, 2008

大河拐大弯 Dahe guai dawan („Große Flüsse haben große Biegungen“), Essays, 2012

够一梦 Gou yi meng („Ein Traum genug“), Gedichte und Prosagedichte, 2013

我和我。西川1985–2012 Wo he wo. Xi Chuan 1985–2012 („Ich und Ich. Xi Chuan, 1985–2012), Ausgewählte Gedichte, 2013

小主意 Xiao zhuyi („Kleinere Ideen“), Gedichte, 2014

开花 Kaihua („Aufblühen“), Gedichte, 2015


Veröffentlichung auf Deutsch:

Die Diskurse des Adlers. Gedichte und poetische Prosa. Aus dem Chinesischen von Brigitte Höhenrieder, Peter Hoffmann und dem Tübinger Arbeitskreis Chinesiche Literatur, projektverlag Bochum 2003

Michael Weilacher

Michael Weilacher (c) Kris Neilsson

Der Schlagzeuger Michael Weilacher ist 1969 in Rochester NY geboren. Nach seinem Studium an der Eastman School of Music und am Conservatory of Music in Cincinnati, wo er in verschiedenen Rock-Gruppen und Orchestern aktiv war, zog er nach Rotterdam, um am dortigen Konservatorium sein Master-Diplom abzulegen. In Europa wandte sich Weilacher zunehmend der zeitgenössischen und improvisierten Musik zu und trat mit verschiedenen Performance-
Gruppen und Ensembles auf wie beispielsweise dem Ictus Ensemble, dem Blindman Quartet und De Rosas (Brüssel), Musique Nouvelle (Mons), Musikfabrik (Köln), Königliches Philharmonisches Orchester Flandern und der Flämischen Oper (Antwerpen). Sein Werdegang als Solo-Schlagzeuger brachte 
ihn mit Komponisten wie Steve Reich, Mauricio Kagel, Helmut Lachenmann, Volker Staub, Frederic Rzewski, Karel Goeyvaerts, Franscesca Verunelli, Sarah Nemtsov, Clara Maïda und Oscar Bianchi zusammen.

Seit einigen Jahren lebt Michael in Berlin, gastiert als Solist u.a. bei Sasha Waltz@Guests, spielt mit Ensembles wie dem Kammerensemble Neue Musik Berlin, Work in Progress, United Berlin, Solistenensemble Kaleidoskop, Ensemble Kollektiv und der Musikfabrik NRW. Seit 2014 ist er festes Mitglied des Berlin Piano Percussion Ensembles und tritt regelmäßig mit dem Ali Askin Jazz Quintett auf. Michael ist aktiv als Studiomusiker und widmet sich seinen eigenen Kompositionen für Film und Performance. Michael ist kontinuierlich aktiv als Schlagzeuger und Arrangeur in verschiedenen Bands in Berlin (u.a. bei The Somnambulist, Ray Gibson und dem Schachtner Weilacher Duo).