Thomas Wohlfahrt (c) Tina Brüser
Sprache schafft Realitäten, Worten folgen Taten. Daher ist es nicht hinzunehmen, dass Hass, Diskriminierendes und verdrehte Fakten in unserem Sprechen raumgreifend Platz nehmen. Zarathustras Dreisatz – „gute Gedanken, gute Worte, gute Taten“ – behält seine Gültigkeit. Sprechen und Schreiben beginnen mit dem Gedanken, der Kreation, der poésis.
Die Kunstform der Sprache ist die Lyrik. Ihr Genauigkeitsanspruch verwandelt Verstehen in Sprache. Wir als Lesende und Hörende von Gedichten sind Teil dieser Weltaneignung, wir erleben, wie Lyrik sprachliche Räume für kritisches und freies Denken offen hält. Endlich Zeit für Sprache!
Eröffnet wird das 20. poesiefestival berlin mit Weltklang – Nacht der Poesie. In sieben Sprachen geben DichterInnen Beispiele ihrer poetischen Weltaneignung. Ein Forum diskutiert über Diskursvergiftung, Vertrauensverlust und poetischen Widerstand. Die Ausstellung Aubergine mit Scheibenwischer präsentiert erstmals umfänglich Oskar Pastiors „Zeichengebilde“, die mit seinem dichterischen Werk korrespondieren. Mehrere Poesiegespräche geben Einblicke in poetisch vielgestaltige Werkstätten. Der argentinische Dichter Sergio Raimondi hält die Berliner Rede zur Poesie. Der Kuba-Abend zeigt auf, wie Dichtung sich aus Musik und Tanz speist. Das 20. poesiefestival berlin wirft einen Blick auf die Dichtkunst der USA, im Übersetzungsworkshop VERSschmuggel übersetzen sich amerikanische und deutsche Autoren gegenseitig. Ein Spoken-Word und Performance-Abend versammelt internationale Stars. Zwei Veranstaltungen widmen sich queerem Schreiben, und anlässlich des 200. Geburtstags von Walt Whitman, dem für die USA wichtigsten Dichter, erlebt sein Langgedicht Leaves of Grass eine szenische Inszenierung. Lyrikline, das große Online-Lyrik-Archiv, feiertsein 20-jähriges Jubiläum – mit einer Late-Night-Poetry-Show. Auf dem Lyrikmarkt präsentieren fast 40 Verlage und Zeitschriften ihre Publikationen, flankiert von Lesungen und einem Programm für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.
Ich bedanke mich herzlich bei allen Partnern und Förderern, insbesondere beim Hauptstadtkulturfonds, dem Auswärtigen Amt und der Akademie der Künste, sowie bei meinem Team. Uns allen wünsche ich ein inspirierendes Festival 2019 und den etwa 150 KünstlerInnen aus 25 Ländern einen tollen Aufenthalt in Berlin.
Dr. Thomas Wohlfahrt
Leiter Haus für Poesie und poesiefestival berlin