Künstler 2015: VERSschmuggel

Mustafa Stitou

Mustafa Stitou (c) Tessa Posthuma de Boer

Mit 19 Jahren debütierte Mustafa Stitou, geboren 1974 in Marokko, aufgewachsen in Lelystad, mit dem Band „Mijn vormen“. Sein Humor, sein offener Blick, das Vermögen, überall Poesie zu sehen und eine Art fruchtbarer Ambivalenz, die oft auf das Zusammenprallen zweier Kulturen zurückzuführen ist, sorgten dafür, dass Stitous Poesie auffiel. „Endlich wieder ein Dichter“, lobte der niederländische Autor Remco Campert das Debüt des jungen Lyrikers. Es wurde für den C.-Buddingh-Preis, die bedeutendste Ehrung für lyrische Debüts in den Niederlanden, nominiert. Weitere Gedichtbände, u. a. „Mijn gedichten“ (1998), „Varkensroze ansichten“ (2004) (VSB-Poezieprijs) und „Tempel“ (2013) (Awater Poezieprijs) folgten. Stitou beteiligte sich über die Jahre hinweg aktiv an literarischen Veranstaltungen und Festivals im ganzen Land. 2001 führte z. B. das Scapino Ballet Rotterdam eine Choreographie auf, die auf seiner Lyrik basierte, und 2003 untermalte er auf der Amsterdamer Film Biennale Stummfilmfragmente mit seinen Gedichten. 2009-2010 war er Stadtteildichter in Amsterdam.  

Jan Wagner

Jan Wagner (c) gezett

Jan Wagner, geboren 1971 in Hamburg, lebt als Lyriker, Übersetzer und Herausgeber in Berlin. 2001 kam sein erster Gedichtband „Probebohrung im Himmel“ heraus. Darauf folgten in den nächsten Jahren „Guerickes Sperling“ (2004), „Achtzehn Pasteten“ (2007), „Australien“ (2010), „Die Eulenhasser in den Hallenhäusern“ (2012) und „Regentonnenvariationen“ (2014). In seinem letzten Band nimmt er Weidenkätzchen und Würgefeige, Morchel und Melde, Eule, Olm und Otter ins poetische Visier und schafft es, indem er heranzoomt und assoziativ überblendet, für einen Augenblick zum Wesen der Dinge vorzudringen. „Lyrik voller Geistesgegenwart“ nennt die Jury des Preises der Leipziger Buchmesse Wagners „Regentonnenvarationen“, von der Wagner als erster Lyriker überhaupt mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde. Andere Preise, mit denen sein Werk schon geehrt wurde, sind der Kranichsteiner Literaturpreis (2011), der Hölderlin-Preis der Stadt Tübingen (2011) und der Mörike-Preis (2015).

Veröffentlichungen (Auswahl): Die Sandale des Propheten. Essays (Berlin-Verlag 2011), Die Eulenhasser in den Hallenhäusern. Drei Verborgene (Hanser Berlin 2012), Poesiealbum 295 (Märkischer Verlag Wilhelmshorst 2011), Regentonnenvariationen (Hanser Berlin 2014)

K. Michel

K. Michel (c) privat

Ausgelassenheit, Ausrufezeichen und die Verbindung von Humor und philosophischen Ideen charakterisierten das Debüt „Ja! Naakt als de stenen“ (1989) von Dichter und Prosaautor K. Michel, geboren 1958. Vor seinem Dichterdebüt gab K. Michel mehrere Zeitschriften mit heraus, und einige seiner Gedichte erschienen schon in der Gedichtsammlung „Maximaal“. Die Maximalen lehnten Ende der 80er-Jahre die hermetische Dingpoesie ab und strebten nach einer Poesie der Gesten. Ausrufezeichen, Großbuchstaben und Ausrufe sollen ein bestimmtes Gefühl aufrufen! Diese Leichtfüßigkeit kennzeichnet auch das spätere Werk von K. Michel, z. B. in den späteren Bänden „Boem de nacht“ (1994), „Waterstudies“ (1999), „Kleur de schaduwen“ (2004), „In een handpalm“ (2008) und „Bij eb is je eiland groter“ (2010), aber die Ausgelassenheit wird allmählich durch einen ruhigeren Ton ersetzt, und auch ernsteren Themen geht K. Michel in diesen Bänden nicht aus dem Weg. Das Werk des Dichters wird gelobt, „Boem de Nacht“ wurde mit dem Herman Gorterprijs, „Waterstudies“ mit dem Jan Campert-prijs und dem VSB Poëzieprijs und „Bij eb is je eiland groter“ mit dem Guido Gezelleprijs und dem Awater Poëzieprijs ausgezeichnet.

Michael Speier

Michael Speier (c) Walter Brickmann

Michael Speier, geboren 1950 in Renchen, Baden, lebt als Autor, Übersetzer und Literaturwissenschaftler in Berlin. Er veröffentlichte bisher neun Gedichtbände, u. a. „welt / raum / reisen“ (2007) und „HauptStadtStudio“ (2012), mehrere Lyrik-Anthologien, z. B. „Berlin, du bist die Stadt“ (2011) sowie Übertragungen zeitgenössischer Poesie. Er lehrt Literaturwissenschaft an Universitäten in Deutschland und den USA. Michael Speier ist Gründer und Herausgeber der Literaturzeitschrift „Park“ und hat zwischen 1987 und 2003 acht Bände des „Paul-Celan-Jahrbuchs“ herausgegeben. Auch war er Leiter des Poesiefestivals Mailand (2007) und ist seit 1995 Redaktionsmitglied der Zeitschrift PO&SIE (Paris). Speier nahm an verschiedenen internationalen Festivals u. a. in Medellín, Rosario, Belgrad, Malmö und Zürich teil. Für seine literarische Arbeit erhielt er Stipendien sowie Literaturpreise der Deutschen Schillerstiftung Weimar und der A+A Kulturstiftung Köln. Zudem arbeitete er als „writer in residence“ in den USA, Frankreich und Budapest. Zu diesen und anderen Orten führen uns die poetischen Erkundungen Speiers. Er zeigt uns die Welt, wie wir sie auf einem Foto oder in einem Film nie zu Gesicht bekämen.
 
Veröffentlichungen (Auswahl): Welt / Raum / Reisen (APHAIA VERLAG 2007), Haupt Stadt Studio (APHAIA VERLAG 2012)

Anneke Brassinga

Anneke Brassinga (c) privat

Anneke Brassinga, geboren 1948, ist Übersetzerin, Prosaautorin, Essayistin und Dichterin und gilt als die Sprachmagierin der niederländischen Literatur. Ihr Band gesammelter Gedichte „Kennwörter“ wurde als „Reservat für bedrohte Spracharten“ bezeichnet: Brassinga führt die Leser an die verschiedensten Orte und lässt sie die dazugehörenden, oft einzigartigen Wörter kosten. Dennoch ist Brassingas Spiel mit der Sprache kein Spiel um des Spielens willen. Vielmehr ist es für sie der Weg zur Ekstase: Die Poesie hat eine schöpferische Kraft und Brassinga schöpft sie aus.
Sie debütierte 1987 mit dem Gedichtband „Aurora“, seitdem folgten 10 weitere Gedichtbände sowie Essaybände und verschiedene Publikationen in Zeitschriften, Briefe und Tagebuchnotizen. Brassinga wurde in den Niederlanden mit verschiedenen Preisen für ihr umfassendes Werk geehrt: Ihr Gedichtband „Landgoed“ wurde mit dem Herman Gorterpreis (1990) und „Verschiet“ mit dem VSB Poesiepreis (2002) ausgezeichnet. Ihr Gesamtwerk wurde 2008 mit dem Constantijn Huygenspreis und in diesem Jahr mit dem P.C. Hooftpreis, dem Nobelpreis der Niederlande, geehrt. Im letzten Jahr war sie Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD.

Oswald Egger

Oswald Egger (c) gezett

Oswald Egger, geboren 1963 in Lana, Südtirol, studierte Philosophie und Literatur an der Universität Wien. Er gab von 1988-1998 die Zeitschrift „Der Prokurist“ sowie „edition per procura“ heraus und veranstaltete von 1986-1995 die Kulturtage Lana. Er veröffentlicht vor allem Lyrik, u. a. in den Bänden „Die Erde der Rede“ (1993), „Nichts, das ist“ (2001), „nihilum album“ (2007) und „Die ganze Zeit“ (2010). Neben Lesungen und Performances mit Aufführungscharakter macht er auch Ausstellungen und Künstlerbücher. Seit 2011 hat er die neugeschaffene Professur für „Sprache und Gestalt“ an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel inne. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Karl-Sczuka-Preis, dem Oskar-Pastior-Preis (2010) und dem outstanding artist award für Literatur (2014). Beschrieben wird der Dichter Oswald Egger als „Wörtersammler am Ursprungsort der Poesie“, der in seinem Werk die vielstimmigen Erscheinungs- und Wahrnehmungsformen von Welt in Sprache erkunde.

Els Moors

Els Moors (c) Gelya Bogatischcheva

Els Moors (geb. 1976, Poperinge, Belgien) debütierte 2006 mit dem Gedichtband „Er hangt een hoge lucht boven ons“ (Ein hoher Himmel wölbt sich über uns). Flämische und niederländische Literaturkritiker freuten sich: endlich wieder eine vielversprechende junge flämische Dichterin. Der Band wurde für den C. Buddingh’-prijs nominiert und mit dem Herman de Coninckprijs für das beste Debüt ausgezeichnet. Die Lyrikerin observiert und registriert mit den Augen einer Fotografin. In ihren kaleidoskopischen Gedichten schlagen sich diese Beobachtungen nieder. Willkürlich aneinandergereiht, bieten sie keinen festen Halt, sondern bilden eine Welt, in der die Sprache die Hauptrolle spielt. Von Els Moors erschienen auch der Roman „Het verlangen naar een eiland“ (2008), drei Kurzgeschichten und ein Brief in „Vliegtijd“ (2010). Ihr langersehnter zweiter Gedichtband „Liederen van een kapseizend paard“ kam im Jahr 2013 heraus, er ist 2016 für den Herman de Coninckprijs nominiert. Der nächste Band „Lieder vom Pferd über Bord“ erscheint 2016 bei BrüterichPress.

Daniela Seel

Daniela Seel (c) Anne Provoost

Daniela Seel, geboren 1974 in Frankfurt am Main, wohnt in Berlin und verdient ihren Lebensunterhalt als Redakteurin, Korrektorin, Kritikerin, Moderatorin und Veranstalterin sowie mit Vorträgen und Lesungen. Ihre Gedichte erschienen in Zeitschriften, Zeitungen, Anthologien, im Internet und im Radio, u. a. in Zwischen den Zeilen, Edit, Neue Rundschau, Sprache im technischen Zeitalter, lauter niemand, DLF Lesezeit, FAZ, poetenladen.de, Lyrik von Jetzt (DuMont 2003) und Jahrbuch der Lyrik (S. Fischer 2009). 2003 gründete sie gemeinsam mit dem Grafiker und Buchgestalter Andreas Töpfer kookbooks – Labor für Poesie als Lebensform. Die Verlagsgründung wurde als die spektakulärste der letzten Jahre bezeichnet und Daniela Seel als „die Ché Guevara der deutschen Verlagswirtschaft“ beschrieben. Für ihr verlegerisches Engagement erhielt sie den Kurt-Wolff-Förderpreis 2006 und den Horst-Bienek-Förderpreis 2007. 2011 erschien ihr erster Gedichtband „ich kann diese stelle nicht wiederfinden“. Er wurde mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis, dem Ernst-Meiski-Förderpreis und dem Kunstpreis Literatur von Lotte Brandenburg ausgezeichnet.

Veröffentlichung: ich kann diese stelle nicht wiederfinden (kookbooks 2011)

Paul Bogaert

Paul Bogaert (c) Tineke de Lange

Paul Bogaert, geboren 1968, macht in seinen Gedichten das Unpoetische zum Poetischen. Er verarbeitet verschiedene Sprachregister, auch in unerwarteten Kontexten. Ein Überbewusstsein und seine Art und Weise der Analyse lassen Verfremdungseffekte entstehen. Seine starke Sprache, zwingende Wortwahl und eine bizarre Logik gepaart mit seinem ironischen und kritischen Ton machen Bogaert zu einem zeitgemäßen Dichter, der seinen Lesern unter die Haut geht.
Von ihm sind bisher fünf Gedichtbände erschienen: Der erste, „Welcome Hygiene“, erschien im Jahr 2006 und wurde mit dem Prijs voor Letterkunde Poëzie der Provinz Vlaams-Brabant ausgezeichnet. 2002 folgte „Circulaire Systemen“, ein Gedichtband, in dem der Lyriker sich mit allem beschäftigt, was sich dreht und in distanziertem, pseudowissenschaftlichem Ton Sprachmaschinen kreiert. Der Band „AUB“ (2006) behandelt Themen wie Geben und Nehmen und beinhaltet Gastauftritte verschiedener unerwünschter Personen. Der Band „Slalom Soft“ (2009) setzt sich aus 29 Gedichten zusammen, die aber auch als ein Gedicht gelesen werden können. 2010 wurde er mit dem Herman de Coninckprijs und 2011 mit dem alle drei Jahre verliehenen Vlaamse Cultuurprijs Poezië ausgezeichnet. Sein letzter Band „Ons verlangen“ erschien 2013 und behandelt all das, was wir Menschen uns gegenseitig antun.

Farhad Showghi

Farhad Showghi (c) G2 Baraniak

Farhad Showghi, geboren 1961 in Prag, verbrachte seine Jugend in Deutschland und im Iran. Nach seinem Studium der Humanmedizin in Erlangen lebt und arbeitet er als Psychiater, Psychotherapeut, Autor und Übersetzer in Hamburg. Er veröffentlichte unter anderem die Einzelbände „Die Sekunde ist eine bewohnbare Provinz“ (1988), „Die Walnußmaske, durch die ich mich träumend aß“ (1998), „Ende des Stadtplans“ (2003), „Die große Entfernung“ (2008) und „In verbrachter Zeit“ (2014). Seine Gedichte werden als „eigentümliche zwischen Prosa und Poesie schwebende Gebilde“ bezeichnet. Showghi schreibt eine „hermetische Poesie, die in radikaler Weise eine Neudeutung unserer Umgebung vornimmt“. Für sein Werk erhielt er den Kulturförderpreis für Literatur der Städte Erlangen und Hamburg, den 3-sat-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb sowie den N. C. Kaser-Lyrikpreis.

Veröffentlichungen (Auswahl): Ende des Stadtplans (Urs Engeler 2003), Die große Entfernung (Urs Engeler 2008), In verbrachter Zeit (kookbooks 2014)

Maud Vanhauwaert

Maud Vanhauwaert (c) Jimmy Kets

Maud Vanhauwaert, geboren 1984, ist Schriftstellerin und Performancekünstlerin. Sie studierte Linguistik und Literatur an der Universität Antwerpen und erhielt einen Master-Abschluss an dem Schauspiel-Konservatorium von Antwerpen. Als Lyrikerin und Schauspielerin beschreitet Vanhauwaert die unmögliche, schwierige Grenze zwischen Poesie und Performance bewusst. Von ihr erschienen zwei Gedichtbände: 2011 debütierte sie mit dem Gedichtband „Ik ben mogelijk“, der mit dem Vrouw Debuut Prijs 2011-2013 ausgezeichnet wurde und Anfang dieses Jahres erschien „Wij zijn evenwijdig“. Vanhauwaert nahm außerdem 2012 an der World Championship of Poetry Slam in Paris sowie 2014 am Leids Cabaret Festival teil. Sie veranstaltet auch Konzerte und Literaturevents und tritt selbst regelmäßig im Theater auf.

Nora Gomringer

Nora Gomringer (c) Judith Kinitz

Nora Gomringer, 1980 in Neunkirchen geboren, ist Schweizerin und Deutsche, schreibt Lyrik und für Radio und Feuilleton. Seit 2000 hat sie sieben Lyrikbände, u.a. „Silbentrennungen“ (2002), „Klimaforschung“ (2008), „Ich werde etwas mit der Sprache machen“ (2011) und „Monster Poems“ (2013) und eine Essay-Sammlung bei Voland & Quist veröffentlicht. Außerdem erschienen ihre Texte in Anthologien, Schulbüchern und Zeitschriften. Sie arbeitete eng mit verschiedenen Musikern und Bildenden Künstlern, wie  Günter Baby Sommer, Franz Tröger, Fiva, Mia Pittroff und DJ Kermit zusammen. Ihr Werk wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, zuletzt wurden ihr der Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache (2011) und der Joachim-Ringelnatz-Preis (2012) zugesprochen. Nora Gomringer ist Mitglied im PEN und hatte die Poetikdozenturen in Landau, Sheffield und in Kiel inne. Seit 2010 leitet sie das Bamberger Künstlerhaus Villa Concordia.

Veröffentlichungen (Auswahl): Nachrichten aus der Luft (Voland & Quist 2010), Ich werde etwas mit der Sprache machen (Voland & Quist 2011), Mein Gedicht fragt nicht lange (Voland & Quist 2011), Monster Poems (Voland & Quist 2013)