Künstler 2010 – Al-Bahr - das Weiße Meer der Klänge

Abbas Beydoun

Abbas Beydoun (* 1945, bei Sur, Libanon) begreift Lyrik als sprachliches Versuchslabor. Er ist Vertreter einer avantgardistischen Richtung, die mit der Entwicklung des Prosagedichts die arabische Lyrik revolutioniert hat und wegweisend für junge Dichtergenerationen ist.
Beydouns lyrisches Werk, das mittlerweile über ein Dutzend Bände umfasst, ist gekennzeichnet von einer schlichten, reduzierten Sprache mit gleichzeitig komplexen, vielschichtigen Bildern und Metaphern. Stilistisch weist sein Gesamtwerk keine Einheit oder Kontinuität auf. Vielmehr experimentiert er mit immer neuen Stilen, Techniken, Imaginationsebenen und einer jeweils anderen Sprache. Auch thematisch zeigt sein Werk eine große Bandbreite auf: von traumatischen Kriegserlebnissen über meditative Betrachtungen des Alltäglichen hin zur Auseinandersetzung mit dem Labyrinth der menschlichen Psyche.
Für Beydoun bedeutet Dichten einen oppositionellen Raum zu schaffen. Seine Maxime lautet: Man muss hinter die Kulissen blicken, das Verborgene ans Licht zerren und das Ungesagte aussprechen. Dichtung soll entlarven, aufrütteln und durchaus auch schockieren.
Beydoun lebt in Beirut, wo er seit 1997 Feuilletonchef der libanesischen Tageszeitung as-Safîr ist.
Veröffentlichungen (Auswahl):
al-Waqt bi-djur’âtin kabîra (Die Zeit in großen Schlucken), Dâr al-Fârâbî, Beirut 1982.
Sûr (Tyrus), (Mu’assasat al-abhâth al-’arabîyya), Beirut 1985.
Hudjurât (Zimmer), Dâr al-djadîd), Beirut 1992.
Li-marîdin huwa-l-amal (An einen Kranken namens Hoffnung), Dâr al-masâr, Beirut 1997.
Lufidha fî-l-bard (Ausgespuckt in die Kälte), Dâr al-masâr, Beirut 2000.
Eine Saison in Berlin (Yaumîyyât Berlinîyya), Edition Selene, Wien 2004.
Abbas Beydoun im ZVAB

Alaa Khaled

Alaa Khaled (*1960 Alexandria, Ägypten) ist ein Grenzgänger. Nach dem Studium der Biochemie wurde er Poet, Essayist und Romanautor. Unermüdlich bemüht, aus jeder Enge und Beschränkung auszubrechen, hebt er im Schreiben die formalen Trennungslinien zwischen den Genres auf, bewegt sich zwischen ihnen. Als Lyriker ist er im Prosagedicht zu Hause. Seine journalistischen Texte weisen literarischen Charakter auf, und seine Prosa ist teils poetisch, teils journalistisch gefärbt. Khaled ist ein entschiedener Gegner jeglicher Normen, die dem Einzelnen vorgeschriebene Denk- und Verhaltensmuster aufzwingen. So zieht sich sein Verständnis vom „Ich als Subjekt“ wie ein roter Faden durch sein gesamtes schriftstellerisches Werk.
Bekannt ist Khaled auch als Herausgeber der Kulturzeitschrift „Amkenah“, die, 1999 gegründet, in der gesamten arabischen Welt hohes Ansehen genießt. „Amkenah“ („Orte“) versteht sich als Forum einer sprachlich und künstlerisch unkonventionellen, alltagsnahen Auseinandersetzung mit dem „Ort“ als konkretem Raum, aber auch als ideellem Konzept.
Khaleds Reportage “Everything Happens Quietly With No Surprises” (Alexandria 12/2004) wurde 2005 für den Lettre Ulysses Award nominiert.
Veröffentlichungen (Auswahl):
al-Djasad âliq bi-maschî’at hibr (Der Körper hängt am Willen der Tinte), Dâr Misrîyya, Kairo 1990.
Kursîyyân mutaqâbilân (Zwei einander gegenüberstehende Stühle), Dâr Scharqiyyât, Kairo 2006.
Tusbihîna ala khair (Gute Nacht), Dâr Scharqiyyât, Kairo 2007.
Khutūt ad-du’f (Linien der Schwäche), Dâr Sharqîyyât, Kairo 1995.
Alam khafîf ka-rîschat tâ’ir yantaqilu min makânin ila âkhar (Ein Schmerz, so leicht wie die Feder eines still umherfliegenden Vogels), Dâr Sharqîyyât, Kairo 2009.
Das Buch des Flusses Nil, Lettre International, Nr. 71.

Monzer Masri

Monzer Masri (*1949, Latakia, Syrien), Poet und Maler, siedelt sich bewusst nicht im Zentrum an, sondern in der Peripherie. Er lebt in der Küstenstadt Latakia, fernab vom kulturellen Tummelplatz Damaskus. Auch als Lyriker geht Masri seine eigenen Wege. Seit er Ende der 70er Jahre dichterisch in Erscheinung trat, bewahrte er sich stets künstlerische Unabhängigkeit von den poetischen Idealen seiner Generation.
Formale und inhaltliche Erwartungen, die von außen an ihn herangetragen werden, lehnt er ab. Er schreibt eine Art „Gegendichtung“; eine Dichtung, die vorbei am „Soll“ und „Darf“, unverhüllt das Subjektive benennt.
Lyrik soll, so sein Anspruch, nicht lügen. Sie soll ehrlich sein. Daher sein Verzicht auf sprachliche Schnörkel und ausgefallene Wörter, Bilder und Themen. Seine Gedichte widmen sich stattdessen der konkret gegenständlichen Welt, dem Detail, dem Alltäglichen und erinnern in ihrem Gestus an erzählende Prosa.
Lyrik hat für Masri sinnstiftenden Charakter. Sie soll einer scheinbar chaotischen Welt wieder zu neuer Bedeutung zu verhelfen. Folgerichtig begreift er seine Rolle als Poet darin, Bedeutung zu schaffen und auf diese Weise anderen den Weg zu ebnen auf ihrer Suche nach dem Sinn ihres Daseins und nach Glück.
Veröffentlichungen (Auswahl):
Âmâl schâqqa (Harte Hoffnungen), im Selbstverlag, 1978.
Baschar wa-tawârîkh wa-amkina (Menschen, Historien, Orte), veröffentlicht vom syrischen Kulturministerium, Damaskus 1979.
Andhartuki bi-hamâmatin baidâ’ (Ich habe dich durch eine weiße Taube gewarnt), Sammelband mit Gedichten von Monzer Masri, Maram Masri und Mohammad Saideh, Veröffentlicht vom syrischen Kulturministerium, Damaskus 1984.
Mazharîyya ’ala hai’at qabdat yad (Eine Vase in Form einer Faust), Dâr Riyâd ar-Rayyes, Beirut 1997.
asch-Schây laisa batî’an (Tee ist nicht langsam), Dâr Riyâd ar-Rayyes, Beirut 2004.
Mina-s-a’b an abtakira saifan (Es ist schwierig, einen Sommer zu erfinden), Dâr Riyâd ar-Rayyes, Beirut 2008.

Zakaria Mohammed

Zakaria Mohammed (*1950 Nablus, Palästina) kehrte 1994 nach 25 Jahren im Exil in seine Heimat zurück und lebt heute in Ramallah. Er ist freier Journalist, Redakteur, Prosaautor und Lyriker. Lange Jahre war er stellvertretender Chefredakteur der von Mahmud Darwish herausgegebenen Kulturzeitschrift al-Karmel.
Als Lyriker ist er ein Meister der Reduktion. Immerzu auf der Suche nach dem absolut Wesentlichen, wirft er im Prozess des Schreibens konsequent jeden gedanklichen und sprachlichen Ballast über Bord, bis er zum Kern der Sache vorgedrungen ist. Denn „nicht das Beschriebene macht ein Gedicht aus, sondern das Ausgelassene“, so sein Leitgedanke. Letztendlich geht es ihm darum, zum Schweigen, zur Stille zu gelangen.
Mohammed verwebt unspektakuläre Alltagsmomente mit philosophischen Betrachtungen zu poetischen Texten, die leise und besinnlich in Ton und Duktus sind und von hoher Intensität und Dichte zeugen. Seine Werke erinnern an Stillleben, die eine meditative Ruhe ausstrahlen und zum Innehalten, Schweigen und Nachdenken anregen.  
Veröffentlichungen (Auswahl):
Qasâ’id akhîra (letzte Gedichte), Palästinensischer Schriftstellerverband, Beirut 1981
Aschghâl yadawîyya (Handarbeit), Dâr ar-Rayyes, London 1990.
Al-Djawâd yadjtazu Üsküdar (Das Pferd passiert Üsküdar), Dâr surâh, London 1994.Darbat schams (Sonnenstich), al-mu’assasa al-arabîyya li-d-dirâsât wa-n-naschr, Beirut 2002.Hadjar al-baht (Zauberstein), Dâr an-nâschir, Ramallah 2008.